Stromnetze stoßen an ihre Grenzen

Einspeisung durch Photovoltaikanlagen

Der Bau von Trafo-Stationen ist Bestandteil des Netzausbaus. Ein Problem sind nach Angaben des Stadtwerke-Geschäftsführers die Lieferzeiten von bis zu 60 Monaten. Foto: Becker

Harsewinkel (rob). Eigentlich war Stadtwerke-Geschäftsführer Jörg Kogelheide zur Beantwortung von Fragen zur angedachten Nahwärmeversorgung ins Rathaus gekommen, was die SPD noch einmal mit einem Antrag auf die Agenda gesetzt hatte. In Sachen Nahwärme gab es aber nur wenig zu beraten. Viele Zahlen sprechen dagegen, in Harsewinkel ein solches Netz aufzubauen. Spannender wurde es, als es um die Stromnetze ging.

Erst ab einer Größenordnung von 60 Gebäuden werde gefördert, es müssten Effizienzhäuser gebaut werden, die Nutzerkosten lägen bei (hohen) 20 Cent pro Kilowattstunde und es sei eine enorme Investition erforderlich: So lautete die Zusammenfassung von Bürgermeisterin Sabine Amsbeck-Dopheide (SPD) und Jörg Kogelheide zur Nahwärme. Außerdem sei das Ganze nur dann sinnvoll, wenn alle Wohnungen in einem Gebiet angeschlossen würden, also eine Anschlussverpflichtung festgelegt ist.

„Damit hat die CDU ein Problem“, eröffnete Dieter Berheide die Kritik. Sein Fraktionskollege Stefan Meyer-Wilmes schloss sich an. „Man verliert den Blick für Effizienz“, plädierte Meyer-Wilmes für offene Verfahren in Sachen Wärmeerzeugung. Ralf Dräger (SPD) sagte, der Antrag sei gestellt worden, als der Gaspreis noch deutlich höher lag. Aus aktueller Sicht müsse man die Frage neu stellen. Pflicht sei immer ein Hemmschuh. „Wir sollten jetzt die Wärmeplanung der Stadt abwarten“, sagte Dräger. Diese vom Bund geforderte Wärmeplanung soll bis Frühsommer 2025 vorliegen.

Viel mehr Engagement in die Diskussion legten die Vertreter des Haupt- und Finanzausschusses dann in die Frage nach der Abdeckung in Sachen Stromnetze. Wie die Stadtwerke mit den Ablehnungen von PV-Anlagen größer als 10 KW denn umgehe, wollte Dieter Berheide von Kogelheide wissen, „jetzt, wo Sie schonmal da sind“. Kogelheide berichtete von der jüngsten Aufsichtsratssitzung der Stadtwerke vor wenigen Tagen. Die Einspeisung von Photovoltaikstrom bezifferte er für Harsewinkel mit 31 000 KW. „Das ist eine enorme Leistung, die da auf die Netze wirkt.“ Die Netze kämen an ihre Grenzen. „Ein bundesweites Problem ist das“, sagte Kogelheide. Nicht nur die überregionalen Transportnetze, sondern auch die Verteilnetze seien ausbaubedürftig. „Bei Sonne speisen alle PV-Anlagen gleichzeitig ein, dann haben Sie ein Spannungsproblem“, erklärte Kogelheide den physikalischen Vorgang. Vor jedem PV-Anschluss prüften die Stadtwerke daher mit einer Netzverträglichkeitsprüfung, ob ein Anschluss gewährt werden könne.

Absagen für Anlagen größer als 10 KW gebe es aber selten, sagte der Stadtwerke-Geschäftsführer. Genau neun PV-Anlagen sei die Einspeisung nicht genehmigt worden, so Kogelheide. Warum nicht sofort ausbauen? Überschüsse erwirtschaften die Stadtwerke schließlich genug. Man werde den Netzausbau nur nach und nach ausführen können, erklärte Kogelheide.

Lieferzeiten sind ein Problem

Harsewinkel (rob). Die Verwendung der Überschüsse sei dafür nicht zu verwenden. Vielmehr würden Netzinvestitionen über die Netzdurchleitung an die Nutzer berechnet. Vorgeschaltet ist eine Antragstellung samt Prüfung durch die Netzanstalt. „Ein transparentes Verfahren“, sagte Kogelheide, der außerdem darauf verwies, dass für einen schnellen Netzausbau die Kapazitäten der Unternehmen und der Facharbeiter gegeben sein müsse. Nicht zuletzt deshalb, weil aktuell alle Kommunen vor der gleichen Aufgabe stünden.

„Unsere Aufgabe ist es, ein stabiles Netz vorzuhalten“, fasste Jörg Kogelheide zusammen. Kämmerer Stefan Volmering, ebenfalls Geschäftsführer der Stadtwerke, verwies auf die Sitzung des Umweltausschusses von Ende April, wo genaue Zahlen zu diesem Thema seitens der Stadt aufbereitet und vom Ausschuss bereits diskutiert wurden.

Die abgelehnten Fälle seien fast alle im Außenbereich angesiedelt, ergänzte Kogelheide. Da werde die Frage der Zumutbarkeit für das Versorgungsunternehmen gestellt. Wenn der Versorger übermäßig investieren müsse, um einen Einzelnen anzuschließen, sei das wirtschaftlich nicht zumutbar, erklärte der Geschäftsführer. Denn die Kosten trüge die Allgemeinheit.

Die Bundespolitik sieht Kogelheide in dieser Sache insgesamt auf einem richtigen Weg, nur sei das in der anvisierten Geschwindigkeit eben nicht umsetzbar. Beispielsweise hätten Materialien oder die Lieferung einer sogenannten Kompaktstation bis zu 60 Monate Lieferzeit. Auch die Einspeisung in Zwischenspeicher sei keine Lösung für das Spannungsproblem. „Für einen kurzen Moment haben Sie die Spannung im Netz, ehe der Schalter auf den Speicher umschaltet“, erklärte Kogelheide.

Blieb am Ende noch die Nachfrage nach dem neuen Baugebiet im Vechtel. „Wir können ja nicht fürs Baugebiet Photovoltaik vorschreiben, und dann kann man am Ende gar nicht einspeisen“, wies Stefan Meyer-Wilmes auf einen Widerspruch hin. Im Vechtel soll der Netzausbau ausreichend sein, hieß es.

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